Küchen- und Haushalttipps

Benutzung eines Backhauses

Benutzung eines Backhauses

Beitragvon Roana » 06 Nov 2010 10:56

Hallo zusammen!

Ich hoffe, im Forum Küche und Küchentipps bin ich richtig - auch wenn es nur indirekt um die Küche geht. Wenn nicht: Bitte passend verschieben

Ich stelle fest, dass in den letztem Jahren immer mehr Wissen um das Backen in einem Dorfbackhaus verloren geht oder Leute, die noch nie die Gelegenheit hatten, in dieser Richtung Wissen zu erwerben sich darin versuchen und durch die Ergebnisse frustriert wurden. Obendrein gibt es vielerorts "Aufpasser" und Vermieter die die Leute auf komplett falsche Fährten setzen, was die Bedienung eines Backhauses anbetrifft.

Historisches
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Da in den Dorfhaushalten früher meist Öfen standen, die neben der Nahrungszubereitung auch zum Heizen benutzt wurden, war das Backen von Brot mit den hohen Anfangstemperaturen und fallender Hitze eher schwierig zu bewerkstelligen und so gab es in jedem Dorf ein oder auch mehrere Backhäuser, in denen ein gemauerter/gesetzter Ofen stand, der von der Dorfgemeinschaft täglich benutzt wurde um Brot und Kuchen zu backen.

Leider sind viele dieser Backhäuser der modernen Bauplanung oder einem Modernisierungswahn der 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Opfer gefallen - doch hie und da stehen sie noch und können meist auch noch benutzt werden.

Da die Öfen früher jeden Wochentag benutzt wurden, waren sie gut durchwärmt und man musste meist nur ein paar Reisigbündel (hier in Mittelhessen auch Backwellen genannt) einschieben und entzünden um den Ofen wieder auf die benötigte Anfangstemperatur zu bringen.

Die Reihenfolge wurde ausgelost oder in einem Rotationsschema festgelegt, damit jeder mal frische Kuchen am Samstag backen konnte oder auch mal den erhöhten Holzverbrauch am Montag zu bestreiten hatte, wenn man etwas mehr Holz brauchte um den über Sonntag ausgekühlten Ofen wieder aufzuheizen.

Bauform
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Die meisten der Dorfbacköfen besitzen nur einen großen gemauerten Feuerungsraum, in dem sowohl zunächst angeheizt und danach gebacken wurde. Oft wurden auch große Steine als Boden- und Deckplatte benutzt, die nur dünn mit Schamotte verkleidet wurden oder wenn sie feuerbeständig waren auch unverkleidet blieben. Von Öfen dieser Bauform rede ich hier in der Folge


Moderne Nutzung
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Wenn man nur gelegentlich ein Backhaus nutzt, kühlt damit natürlich der Ofen zwischendurch wieder komplett aus und man sollte sich nicht auf Aussagen verlassen, dass man ja nur wenig Holz braucht, um den Ofen auf Temperatur zu bringen... Besonders wenn der Ofen über den Winter nicht benutzt wurde, kann es sein, dass im zeitigen Frühjahr sogar noch der Frost in den tonnenschweren Ausmauerungen sitzt... das zieht einem dann schnell die Hitze wieder von der Oberfläche weg, wo man sie eigentlich braucht.

Optimal um einen lange Zeit stillstehenden Backofen in Betrieb zu nehmen ist, ihn am Abend vorher mit Meterholz anzuheizen, das dann über Nacht bei fast ganz geschlossener Luftklappe runter brennt. Dann ist er am Morgen gut durchgewärmt.

Bedienelemente und Werkzeug
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Ofentür mit Luftklappe: Wichtig ist, dass die Ofentür dicht schließt und dass es in der Ofentüre oder daneben eine Zuluftöffnung gibt, mit der man die Zuluft zum Feuer regulieren kann. Wenn es keine funktionierende Zuluftregelung mehr gibt, muss man die Zuluft und damit die Intensität des Feuers mit Öffnen und Schließen der Ofentüre regulieren. Zum Backen wird Ofentür und Zuluftöffnung verschlossen

Abgasschieber/Schornsteinklappe: Zum Anfeuern ganz öffnen und zum Backen ganz schließen

Schornsteinrevisionsöffnung: manchmal gibt es eine gut zugängliche Revisionsöffnung am unteren Ende des Schornsteins. Wenn der Ofen ganz kalt ist, kann es hilfreich sein, hier drin zu Beginn des Anfeuerns ein paar zerknüllte Zeitungsblätter zu verbrennen, dann zieht der Schornstein schneller.

Schürhaken/Glutkratzer: Aus Eisen gefertigtes Gerät, um die Glut im Ofen zu verteilen und die Glutreste und Asche aus dem Ofen heraus zu holen wenn man Backen will

Blecheimer: Feuerfestes Gefäß um Asche und Glutreste aufzunehmen.

Wassereimer: Frisches sauberes Wasser für den Wischer und zum Löschen falls Glut irgendwas in Brand setzt

Backschießer/Backschieber: Flaches Holzteil mit langem Stiel um die Brote in den Ofen "einzuschießen" und auch wieder heraus zu holen.

Wischer: Mit einem Lappen versehene lange Stange, um den Ofen mittels dieses nassen Lappens herunter zu kühlen wenn er zu heiß ist und auch um Aschereste von der Fläche auf der man backen möchte zu entfernen.

Backhausbleche: sind Backbleche für Kuchen oder Pizza, die meist größer als normale Haushaltsbackbleche sind. Sind keine Backbleche vorhanden, kann man auch Haushaltsbackbleche verwenden. Um Brot zu backen braucht man KEINE Backbleche

Gerstenähren: Meist liegt in einem benutzten Backhaus ein Bündel Gerstenhalme mit Ähren dran herum, die brauchen wir später als Thermometer. Ersatzweise tut es auch Zeitungspapier. Sammelt selbst im Spätsommer mal einen Arm voll reifer Gerstenhalme und spendiert sie eurem Lieblingsbackhaus

Feuerlöscher: Sicher ist sicher! Selten vorhanden - dann bitte selbst einen mitbringen

Taschenlampe: Es werde Licht! Muss meist selbst mitgebracht werden. Sehr hilfreich im dunklen Ofen um die Bräune festzustellen

Vorkontrolle
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Sobald als möglich sollte man das Backhaus in Augenschein nehmen, in dem man backen will. Taschenlampe mitnehmen!!!

Es sollte kein Gerümpel drin herumstehen,

es sollten Ablagemöglichkeiten für die vorbereiteten Brote, Kuchen oder Pizza vorhanden sein.

Im Ofen sollte keine losen Teile der Ausmauerung herum liegen, wenn doch unbedingt vor dem Anheizen entfernen.

Die o.g. Geräte sollten vorhanden und betriebsfähig sein. Ruhig auch mal in die Hand nehmen und schauen ob Stiele und andere Holzteile nicht verrottet sind.

Die Gängigkeit der Schornsteinklappe und der Ofentüre sollten getestet werden.

Es sollte genug TROCKENES Holz vorhanden sein. Zerkleinerte alte Paletten eignen sich gut dazu... da sollte in etwa der Gegenwert des Holzes von 4-8 Paletten vorhanden sein. Scheitholz aus dem Baumarkt eignet sich auch gut dazu, ist aber teuer. Es sollte genug Holz vorhanden sein um den kompletten Boden des Ofens längere Zeit mit Glut zu bedecken.

Wenn möglich den Schornstein kontrollieren, ob sich nicht ein Vogel hinein verirrt hat und darin verstorben ist... Meist liegen die dann oben auf der Abgasklappe...

Anheizen
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Da s.o. die Öfen meist nicht mehr durchgängig benutzt werden ist ein etwas höherer Aufwand nötig wie früher.

Abgasklappe ganz öffnen
Zuluftklappe ganz öffnen

Im sauberen Ofen mit dem Holz ein Feuer entfachen. Erst mit dünnen Teilen beginnen oder auch zerrissene Kartons und zerknülltes Papier verwenden, KEINE Brandbeschleuniger verwenden!!! Nach und nach mehr Holz auflegen bis ein kleines Höllenfeuer mit ordentlich Glut entstanden ist. Diese Glut dann möglichst gleichmäßig im Ofen verteilen - damit es eine gleichmäßige Unterhitze gibt. Diese Glut durch nachlegen bei einem vorher kalten Ofen mindestens über 3-4 Stunden aufrecht halten. Für Pizza am Mittag muss man früh aufstehen!

Wenn man in dieser Phase ist, kann man die Zuluftklappe halb schließen bzw die Ofentüre nur noch leicht öffnen. Von Zeit zu Zeit prüfen ob die Glut noch ausreichend vorhanden ist, ggfs mehr Zuluft geben. Mit dem Aschekratzer/Schürhaken zwischendurch immer mal wieder die Glut gleichmäßig verteilen.

Unerfahrenen sei dringend davon abgeraten ein Backhaus nur mit Reisig anzufeuern! Das führt bloß zu Frust.

Temperaturkontrolle
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Nach den 3-4 Stunden ist die Glut soweit herunter gebrannt, dass man sie mit dem Aschekratzer herausziehen kann und erst mal im feuerfesten Eimer deponiert.

Abgasklappe schließen
Zuluftöffnung schließen
Ofentür schließen

Etwa 10 Minuten warten. Jetzt zeigt sich, ob die gesamte Masse der Ausmauerung genug aufgeheizt wurde oder immer noch viel Wärme ins Innere der Steine abfließt.

Danach nimmt man eine Gerstenähre und bricht sie samt 5cm Stiel vom Halm ab. Der Backschießer hat vorne meistens einen Spalt zwischen den Brettern in den man die Gerstenähre mit dem Halm einklemmen kann. Mit der Ähre etwa eine Handbreit unter der Decke des Ofens entlang gehen. und während 15 bis 30 Sekunden verschiedene Teile des Ofeninneren abfühlen. Dabei immer etwa eine handbreit Abstand halten. Die Farbe die die Ähre nach dem herausziehen hat, diese Farbe bekommt auch das Brot. Wird die Ähre zu schwarz oder flammt sie gar auf ist die Temperatur zu hoch und man muss den Ofen zur Temperatursenkung mit dem nassen Lappen auswischen. Temperaturfühlung wiederholen.
Um Kuchen oder Pizza zu backen darf die Ähre maximal nur hellbraun sein.

Hat man keine Getreideähre zur Hand kann man ersatzweise auch ein zerknülltes Papier in den Ofen hinein werfen. Flammt es sofort auf ist der Ofen zu heiß. Wird es erst langsam braun dann schwarz und flammt es erst dann auf, ist die Ofentemperatur richtig zum Brot backen. Um Kuchen und Pizza zu backen darf das Papier nicht aufflammen, und nur langsam sich ins Braune verfärben.

Ist der Ofen wider Erwarten zu kalt, dann kippt man den Glutrest wieder ein und entfacht nochmal für eine Stunde ein Feuer und verteilt die Glut gleichmäßig. Danach wieder Temperatur messen.

Backen
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Das unterscheidet sich nur wenig vom Backen im heimischen Herd. Da die Öfen aber oft ungleichmäßig erhitzt wurden oder ungleichmäßig die Hitze halten, ist es ratsam zwischendrin immer mal wieder die Farbe der Brotlaibe zu kontrollieren und ggfs die Brotlaibe im Ofen etwas umgruppieren damit sie gleichmäßig braun werden. Das Brot ist fertig wenn es die gewünschte Farbe hat UND es beim Klopfen hohl klingt.

Grundsätzlich können alle Brotsorten die man auch im heimischen Backofen backen kann auch im Backhaus gebacken werden.

Die hier beschriebene Methode funktioniert gut für Roggen- und Roggenmischbrote. Für reine Weizenbrote muss man eventuell die Anfangstemperatur etwas niedriger wählen - so wie bei Kuchen und Pizza.

Schlußbemerkungen
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Bringt genug Zeit mit! "Mal eben schnell" ist nicht in einem Backhaus

Achtet auf die Glut! Da kullert schon mal was raus. Feuerlöscher und/oder Löschwasser immer bereit halten! Lasst das Backhaus nicht unbeaufsichtigt. Löscht nach dem Anfeuern und dem Einschießen der Brote/Kuchen sorgfältig die Glut im Ascheeimer

Hört auf die Locals, die ihr Backhaus kennen - aber schaltet dabei nicht euer Hirn aus!

Lieber höher anheizen und dann mit dem nassen Lappen runter kühlen. Nochmal Nachfeuern ist wesentlich umständlicher und kostet mehr Zeit.

Für Kuchen und Pizza braucht es wesentlich weniger Hitze wie für Brote! Pizza und Kuchen öfter kontrollieren. Das geht manchmal blitzschnell und alles ist schwarz... Kuchen- und Pizzaböden auch von unten öfter kontrollieren.
Früher wurden die Kuchen nach den Broten gebacken ohne den Ofen dazwischen nochmal anzuheizen.

Ist es der erste Einsatz des Backhauses nach einem kalten Winter mehr Zeit und mehr Holz zum anfeuern einkalkulieren.

Hinterlasst das Backhaus so wie ihr es vorzufinden wünscht! Sollte eigentlich selbstverständlich sein, sicherheitshalber erwähne ich es trotzdem.



Ich hoffe, dass dieses einigen Leuten weiter hilft. Es macht viel Spaß in einem Backhaus zu backen und es schmeckt obendrein mal ganz anders wie im Elektroofen. Außerdem ist es ein Stück einer Kultur die im Untergang begriffen ist. Außer zu besonderen Gelegenheiten wird heute kaum noch in Dorfbackhäusern gebacken.

Ihr könnt ja mal Eure Erfahrungen und vielleicht auch Bilder beitragen...

LG
Ro


[2010-11-06 10:01] Bearbeitet durch -Roana-
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Beitragvon ully56 » 06 Nov 2010 14:13

hallo roana,

danke für deinen sehr interessanten bericht.
wir besitzen einen kleinen bauernhof in der nähe von bamberg. dort gibt es noch ein backhaus, wie du es beschrieben hast. es wird 1x im jahr benutzt und der ofen seeeeeeeeeehr aufwendig angeheizt und zur demonstration auch brot gebacken.
ich backe mein brot immer selbst zu hause und mahle auch die dinkelkörner dafür in meiner getreidemühle. das ist aber für mich schon genug arbeit. ich hätte gar keine zeit diesen, von dir beschriebenen aufwand, zu betreiben, da ich nebenbei noch einen stressigen beruf habe.
auch wenn die brote wirklich anders schmecken, weil eine andere, gleichmäßige hitze und feuchtigkeit im ofen herrscht - hab's ja dort schon probiert - liebe ich meine, im steinpizzaofen gebackenen, brote sehr!! außerdem bin ich unabhängig und muss nicht schon tage vorher planen, wann ich backen möchte, sondern betätige einfach nur den schalter vom pizzaofen... für mich wäre der aufwand viiiiiiiiel zu groß und einfach nicht mehr zeitgemäß :roll:

servus und einen schönen sonntag

ully

ps. vor einem monat war ich hier in der nähe in einem bauernfreilichtmuseum in amerang, da konnte man unter anderem auch diese kunst des brotbackens bestaunen!
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Beitragvon Roana » 07 Nov 2010 08:17

Hallo Ully,

ja zum regelmäßigen Backen ist der heimische Ofen sicher einfacher. Aber zu entsprechenden Dorffesten oder anderen Events ist sowas natürlich eine Attraktion. Und der Verkauf von Pizza und Zwiebelkuchen vor dem Backhaus bringt für Vereine gutes Geld in die Kasse.

Mir ist es zweimal passiert, dass wir bei einer Location, wo wir ein Live-Rollenspiel veranstalteten, so ein Backhaus mit dazu mieten konnten - da hab ich natürlich auch die Gelegenheit genutzt und wir haben die Spieler mit Backhauspizza versorgt :)

LG
Ro
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