Patrik Stäbler hat sein Herz an das Essen verloren. Seine Passion und das Fernweh führten ihn in die verschiedensten Länder der Erde. Auf seiner Weltreise merkte er jedoch, dass er die kulinarischen Köstlichkeiten seines Heimatlandes kaum kennt. Deshalb packte Patrick noch einmal den Rucksack und erkundete per Anhalter die Speisen Deutschlands.

  1. Was is(s)t Deutschland?
  2. Ein Kochbuch beschreibt Deutschland
  3. Wider das Vergessen
  4. Fazit
  5. Interview mit Patrik Stäbler

Frankreichs Köche zaubern exquisite Köstlichkeiten aus Schnecken und Froschschenkeln, Italiener produzieren Pasta und Pizza, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und die spanische Küche besticht mit herzhaften Paellas und erfrischendem Gazpacho. Und Deutschland? Hier gibt es das Eisbein oder die klassische Bratwurst. Aber war es das schon? Gibt es wirklich nicht mehr in der riesigen Republik? Genau dieser Frage ging Patrik Stäbler nach und veröffentlichte seine Antwort in dem Buch „Speisende soll man nicht aufhalten“.

Was is(s)t Deutschland?

„Das Buch soll den Menschen die regionale Küche vor Augen führen. In Deutschland gibt es mehr als Kartoffeln. Essen ist in unserer Kultur verwurzelt“, sagt Patrik im Interview mit Webkoch. Und so machte sich der Journalist auf den Weg und trampte einmal komplett durch Deutschland. Drei Monate, 16 Bundesländer und mehr als 100 Fahrer später kann jeder die kulinarischen und sozialen Ergebnisse nachlesen. Der Reiz des Buches liegt in der Kombination aus Erfahrungsberichten und deutscher Kochgeschichte. Wer hat vorher schon von Teichelmauke oder Schnüsch gehört?

„Speisende soll man nicht aufhalten“ ist ein Kochroman mit 18 Kapiteln. Jedes Kapitel stellt am Ende ein besonderes Rezept vor, das sich dadurch auch in der eigenen Küche nachkochen lässt. Wer also Lust hat, seiner Familie „Bötel mit Lehm und Stroh“ oder „Mehlpütt mit Vanillesoße“ aufzutischen, findet die passenden Anregungen verständlich aber unbebildert erklärt. Schnell stellt man fest, dass Deutschland mehr zu bieten hat, als Eisbein oder Bratwurst, die man zum Leidwesen vieler Thüringer in dem Buch nicht finden wird.

Bratwurst„Das mit der Rostbratwurst habe ich schon oft gehört. Ich habe bereits vor der Reise viel in Zeitschriften und Blogs gelesen. Dadurch kristallisierten sich einige Gerichte heraus, die ich unbedingt einmal probieren wollte. Da jedes Bundesland nur ein Gericht in meinem Buch besitzt, ist es logisch, dass man nicht jedes kulinarische Highlight probieren kann. Mir war wichtig, dass ich eine Mischung aus traditionellen Speisen und unbekannten Exoten in meinem Buch vereine“, erzählt Patrik.

Ein Kochbuch beschreibt Deutschland

Entgegensetzt des Uhrzeigersinns bereiste der Autor alle Bundesländer und lernte dabei allerlei skurrile Gestalten kennen. Vom griesgrämigen Nürnberger mit Vorliebe für Zigaretten bis zum Stammmetzger von Helmut Koch präsentiert sich ein Querschnitt der deutschen Bevölkerung in dem Buch. „Viele der Menschen waren genauso, wie ich sie darstelle; auch der Nürnberger. Man muss sich aber auch vorstellen, dass ich auf meiner Reise ungefähr 100 Fahrer hatte. Viele davon waren ein wenig „verrückt“. Dazu kamen die Köche in den einzelnen Bundesländern, die mir mit ihrer Begeisterung aufgefallen sind. […] Wir Deutschen sind immer als grimmig bekannt. Aber eigentlich habe ich fast nur herzliche Personen kennengelernt“, beschreibt der Autor seine Erfahrungen mit dem eigenen Volk.

Der Kochroman ist mehr als eine Aneinanderreihung verschiedener, Essens-Episoden. Es lädt zur Rückbesinnung ein. Man muss kulinarisch nicht immer über den exotischen Tellerrand schauen. Frei nach Goethe „liegt das Gute oft so nah“. „Prinzipiell muss ich sagen, dass ich erst im Ausland bemerkt habe, dass ich die deutsche Küche nicht kenne. Die ausländische Küche war mit bekannt, doch mit Deutschland hatte ich meine Probleme.“

Die Probleme bewältigen der Autor und der Leser gemeinsam. Nach und nach ertappt man sich, wie man Lust auf die regionale Küche bekommt. Jedes Gericht entfaltet mit der beiliegenden Geschichte einen ganz besonderen Reiz, der Gaumen und Geist gleichermaßen anregt. Man sehnt sich nach Labskaus in Hamburg oder einem deftigen Mutzbraten in Thüringen. Nicht nur die beschriebenen Speisen werden vom Leser verschlungen, sondern nach und nach auch das Buch. Immer weiter reisen Leser und Autor durch Deutschland, erleben kuriose Abenteuer und erfreuen sich an einem neugewonnenen Heimatgefühl.

Wider das Vergessen

WeißwurstMit seinem Buch schafft Patrik Stäbler etwas, was in vielen Kochbüchern verloren geht. Jedes Gericht erzählt eine eigene Geschichte. Die Identifikation wächst und in der Versenkung verschwundene Gerichte, tauchen wieder auf. Damit löst der Autor ein Problem, das seit Langem in unserer Gesellschaft schwillt: „Die einzelnen Länder schaffen es einfach nicht, ihre Gerichte in den Fokus zu stellen und sie zu vermarkten. Dass es funktionieren kann, zeigt Bayern. Die Bayern schaffen es mit Stolz und einer geschickten Marketing-Kampagne, ihre traditionellen Gerichte in das richtige Licht zu rücken. Dadurch ist eine Schweinshaxe auch über die Landesgrenze hinaus bekannt. Andere Bundesländer haben allerdings Probleme und deshalb habe ich auch die Sorge, dass einige Gerichte in Vergessenheit geraten.“

Fazit

Regionale Küche neu erleben. Mit dem Buch „Speisende soll man nicht aufhalten“ bietet Patrik Stäbler das perfekte Buch für Hobbyküche und Freunde amüsanter Kurzgeschichten. Die Rezepte sind aufgrund der kurzen und unbebilderten Beschreibung für Kochanfänger nicht geeignet. Alle anderen erfreuen sich an Gerichten, die einem seit langer Zeit mal wieder ins Staunen versetzen. Deutschland braucht sich kulinarisch nicht hinter Frankreich, Italien oder Spanien verstecken.

Interview mit Patrik Stäbler

Patrik Staebler PortraitWebkoch: Was gab es heute morgen zum Frühstück?

  • Patrik Stäbler: Vegetarische Bolognesenudeln vom Vortag

Ein Interview mit Dir vorzubereiten ist relativ schwierig. Dank Blog, Facebook und Twitter hältst Du deine Leserschaft detailliert auf dem Laufenden. Woher kommt deine Affinität zu Social Media?

  • Social Media interessierte und faszinierte mich schon immer. Durch meine Reise hat sich das aber noch einmal vertieft. Ich war erstaunt von dem Feedback, nicht nur von Freunden, sondern auch von Fremden. Über Facebook und meine Seite wurden mir Tipps gegeben, Orte empfohlen und mit mir interagiert.

Der Kochroman ist nur ein weiterer Teil deiner Selbsterfahrungen, davor liefst du einen Marathon und hast die Welt bereist. Was fasziniert dich an dem Ausprobieren?

  • Mich haben die Themen Reisen und Essen schon immer interessiert. Es gibt einfach viel in der Welt zu entdecken. Vielleicht spielt auch so ein wenig Entdeckergeist mit. Ich habe einfach ein großes Interesse an neuen Geschmäckern.

Du schreibst, dass der Vertrag mit Rowohlt Verlag spontan zustande kam. Hast du während der Reise auf eine Regung der Verlage gewartet?

  • Nein. Mir war klar, dass ich die Erlebnisse der Reise zu einem Buch verarbeiten werde, in erster Linie aus eigenem Interesse. Dass es am Ende jedoch so geklappt hat, ist ein großes Glück. Ich wurde ohne Schreibprobe unter Vertrag genommen. Eine Lektorin von Rowohlt kontaktierte mich einen Monat vor dem Ende meiner Reise. Danach stockte der Kontakt etwas und ich hörte nichts mehr von ihr. Als ich die ersten zwei Kapitel fertig geschrieben hatte, wollte ich mich schon auf Verlagssuche begeben. Doch genau in diesem Moment schrieb mir Rowohlt wieder und wir kamen zusammen.
  • Die Kommunikation lief während meiner Reise hauptsächlich über das Smartphone ab. Darüber habe ich Bilder und Texte gepostet. Allerdings boten mir auch viele Couchsurfer die Möglichkeit, im Internet zu surfen.

Beeindruckende Speisen und fehlende Identifikation

In deinem Buch erfahren die Leser interessante, landestypische Gerichte und die Geschichte dahinter. Welche Geschichte beeindruckte dich dabei am meisten?

  • Sehr beeindruckend fand ich Schleswig-Holstein und die Geschichte vom Schnüsch. Obwohl es das Nationalgericht ist, musste ich mich auf eine lange Reise begeben, habe viel herumgefragt und verzweifelte fast an dem Gericht. Am Ende traf ich jedoch auf einen Heimatverein, der wiederum eine ältere Dame kannte. Über die Dame kam ich dann zu dem Gasthof, der wirklich im Niemandsland lag. Das Gericht stand nicht mal auf der Karte und trotzdem bereitete mir der Koch Schnüsch zu. Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit hat mich beeindruckt. Allerdings nicht nur in Schleswig-Holstein. Wir Deutschen sind immer als grimmig bekannt. Aber eigentlich habe ich fast nur herzliche Personen kennengelernt.

Du bringst den Lesern Teichelmauke, Mutzbraten oder Saumagen wieder näher. Warum verschwinden die traditionellen Gerichte aus unserem Leben?

  • Das ist eine gute Frage. Die einzelnen Länder schaffen es einfach nicht, ihre Gerichte in den Fokus zu stellen und sie zu vermarkten. Dass es funktionieren kann, zeigt Bayern. Die Bayern schaffen es mit ihrem Stolz und einer geschickten Marketing-Kampagne, ihre traditionellen Gerichte in das richtige Licht zu rücken. Dadurch ist eine Schweinshaxe auch über die Landesgrenze hinaus bekannt. Andere Bundesländer haben allerdings Probleme und deshalb habe ich auch die Sorge, dass einige Gerichte in Vergessenheit geraten.

Siehst Du dich mit dem Kochroman auch als Missionar, der den Deutschen die eigene Koch-Identität vor Augen führt?

  • Nein. Aber das Buch soll den Menschen schon die regionale Küche vor Augen führen. In Deutschland gibt es mehr als Kartoffeln. Essen ist in unserer Kultur verwurzelt. Man erinnert sich an Gerichte, die bereits Oma zubereitet hat. Dadurch werden die traditionellen Speisen zu mehr als einem reinen kulinarischen Erlebnis.

Die Typologie der Deutschen

Cover Speisende soll man nicht aufhaltenViele Charaktere deiner Reise sind sehr speziell. Besonders einer der ersten Fahrer (der grimmige Mann aus Nürnberg) blieb mir im Gedächtnis hängen. Sind alle Personen in dem Roman genau so, wie du sie getroffen hast?

  • Ja, viele der Menschen waren genauso, wie ich sie darstelle; auch der Nürnberger. Man muss sich aber auch vorstellen, dass ich auf meiner Reise ungefähr 100 Fahrer hatte. Viele davon waren ein wenig „verrückt“. Dazu kamen die Köche in den einzelnen Bundesländern, die mir mit ihrer Begeisterung aufgefallen sind. Vielleicht wirken dadurch manche Charaktere etwas überspitzt.

Wie oft trafst du mit deinem Vorhaben in den drei Monaten auf Ablehnung?

  • Eigentlich nur zweimal. In Stralsund wollte ich mich mit dem Patentinhaber der Bismarck-Heringe treffen. Doch bereits am Telefon sagte er mir, dass er kein Interesse daran hätte. Ansonsten brach mein Vorhaben bei den meisten Personen direkt das Eis. Beim Thema Essen tauen auch die grimmigsten Herren auf und erzählen mit einem Lächeln über ihr Leibgericht.

Manche Gerichte erschienen mir auf den ersten Blick nicht logisch. So beschreibst du in Berlin den Döner und in Thüringen den Mutzbraten anstatt einer Bratwurst oder Klößen. Wie kam es zur Auswahl der Gerichte?

  • Ja, das mit der Rostbratwurst habe ich schon oft gehört. Ich habe bereits vor der Reise viel in Zeitschriften und Blogs gelesen. Dadurch kristallisierten sich einige Gerichte heraus, die ich unbedingt einmal probieren wollte. Da jedes Bundesland nur ein Gericht in meinem Buch besitzt, ist es logisch, dass man nicht jedes kulinarische Highlight probieren kann. Mir war wichtig, dass ich eine Mischung aus traditionellen Speisen und unbekannten Exoten in meinem Buch vereine. Den Mutzbraten wählte ich in Thüringen zum Beispiel, weil mir die Geschichte vom Mutzbratenkrieg so interessant vorkam.

Welches Essen hat dich besonders überrascht?

  • Vermutlich der Saumagen. Ich hatte eine völlig falsche Vorstellung, bis ich mich mit dem Stammmetzger von Helmut Kohl getroffen habe. Er zeigte mir Schritt für Schritt, wie man den Magen mit allerlei Zutaten füllt und danach kocht. Das war wirklich ein Erlebnis und hat tatsächlich geschmeckt. Danach durfte ich noch reinen Saumagen probieren. Der schmeckte allerdings wir ein Turnschuh.

Typisch deutsches Essen – oder nicht?

An welche Mahlzeit erinnerst du dich während der Reise nicht gern zurück?

  • Mir schmeckt grundsätzlich viel, meine Geschmacksknospen sind genügsam. Deshalb gibt es kein Gericht, das ich nicht wieder essen würde. Ein Eisbein würde mir vielleicht nicht täglich auf den Tisch kommen.

Was ist denn nun typisch deutsches Essen? Zeichnet Fleisch Deutschland aus? Immerhin gab es nur ein vegetarisches Gericht.

  • Man muss sich das so vorstellen: Die Gerichte, die ich auf meiner Reise probiert habe, galten früher als Sonntagsessen. Während in der Woche meist nur Kartoffeln auf den Tisch kamen, tafelte man am Wochenende richtig auf. Und genau diese Speisen, mit viel Fleisch gelten heute als typisch deutsch. Meine Schwiegermutter hat nach der langen Reise übrigens zu mir gesagt: „Na, abgenommen hast du aber nicht!“

Welches Gericht sollte jeder Bürger der Bundesrepublik einmal probiert haben?

  • Wenn ich eins empfehlen soll, dann würde ich das Labskaus anbringen. Das Gericht sieht zwar wirklich nicht lecker aus, schmeckt aber überraschend gut.

Was war der schlimmste Moment deiner Reise durch Deutschland?

  • Das war direkt der erste Tag. Ich stand 2 ½ Stunden an einer Autobahnauffahrt und wartete auf eine Mitfahrgelegenheit. In der Zeit fuhren mehr als 700 Autos an mir vorbei. An dem Tag sah ich meine Vorhaben schon scheitern. Ich musste erst lernen, dass man für das Trampen Geduld benötigt.

Rindfleischrouladen verwöhnen den Autoren-Gaumen

Vor deiner Deutschlandreise hast du bereits die Welt bereist. Auch da liefen dir sicherlich viele exotische Spezialitäten über den Weg. Welche Mahlzeit blieb dir weltweit im Gedächtnis?

  • Prinzipiell muss ich erstmal sagen, dass ich erst im Ausland bemerkt habe, dass ich die deutsche Küche nicht kenne. Die ausländische Küche war mit bekannt, doch mit Deutschland hatte ich meine Probleme. Meine Weltreise war aber definitiv auch ein kulinarisches Highlight. In Argentinien genoss ich Empanadas, Rindfleisch und Rotwein; in Asien faszinierten mich die Vielfalt und die kleinen Garküchen am Wegesrand.

Am Ende des Tages gibt es viele Möglichkeiten für ein leckeres Gericht. Doch mit welchem Essen kann man dich immer an den Tisch locken?

  • Rindfleischrouladen mit Spätzel. Meine Mutter füllt die Rouladen mit Schinken, Käse und einem Klecks Senf. Das kleine saure Gürkchen lässt sie wiederum weg.

Deutschland ist bereist, die Welt ist erkundet, der Marathon gelaufen. Welche Herausforderung wartet als Nächstes?

  • In erster Linie mein Kind. Ansonsten würde ich schon gern beim Essens- und Reisejournalismus bleiben. Es gibt noch viel zu entdecken.

Und was sind deine nächsten Koch-Herausforderungen? Stehst du häufig in der Küche?

  • Ja, ich koche häufig, aber nicht sonderlich gut. Ich bin im Essen besser. Aber viele Gerichte meiner Reise habe ich zuhause nachgekocht. Nur der Saumagen und ein paar weitere Speisen fehlen noch. Aber das kann ich auch nicht in meiner Küche machen. Ich wohne mit drei Vegetariern zusammen. Deshalb gab es heute auch zum Frühstück die Reste der vegetarischen Bolognesenudeln.
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